Von Gruppenpower bis Solozeit - Karolin gibt uns einen lebendigen Bericht vom 1. FÖJ-Seminar

Exkursionen zu einem ökologisch-solidarischen Hof, Foodsharing, Repair-Café und andere spannende Aspekte zum Thema Nachhaltigkeit nahmen die FÖJ-Freiwilligen in ihrem ersten Seminar unter die Lupe. Auch Gruppen-Action, Entspannung und das Kennenlernen kamen nicht zu kurz. Karolin berichtet von ihrer ersten FÖJ-Seminar-Woche im Tharandter Wald.

FÖJ-Seminar im Tharandter Wald: Auf das, was da noch kommt!

Wir stehen zum letzten Mal gemeinsam im Kreis auf der Wiese vor dem Volleyballfeld: 33 Freiwillige und 3 Teamer, alle noch etwas schlaftrunken nach dem turbulenten Abschlussabend am Lagerfeuer – voller Vorfreude auf die Heimreise, aber auch ein wenig wehmütig. Kaum zu glauben, dass der Abschied schon so nahe gerückt ist. Sonnenschein und Vogelgezwitscher umgeben uns, als wir einander auf die Schultern klopfen und uns für die schöne gemeinsame Seminarzeit bedanken.

Noch vor fünf Tagen kannten wir uns gegenseitig nur flüchtig – ein, zwei Gesichter hatte man sich vom Begrüßungstag am 1. September gemerkt, vielleicht waren sogar mit anderen Mitfreiwilligen bei der eigenen Einsatzstelle schon Freundschaften entstanden. Doch die meisten von uns hatten bis jetzt noch kaum ein Wort miteinander gewechselt. Aufregung, Erwartungen, vielleicht auch die eine oder andere Befürchtung brachten wir am ersten Seminartag mit nach Tharandt, wo unsere Freiwilligengruppe in einer naturnahen Einrichtung eines kirchlichen Trägers eine Woche lang unter einem Dach lebte. Schlafen in Sechserzimmern oder – für die ganz Harten unter uns – in Zelten, gemeinsame Mahlzeiten und viel frische Luft standen täglich auf dem Programm. Außerdem begeisterten uns unsere Seminarleiter Anne und Jannis mit einem abwechslungsreichen Wochenplan voller spannender Aktionen.

Die erste Herausforderung ließ auch nicht lange auf sich warten: Schon am Dienstag begrüßte uns die Erlebnispädagogin Maria auf unserer Exkursion durch den Tharandter Wald mit einem Spiel, das von jedem einzelnen volle Konzentration und Einsatzbereitschaft forderte. In zwei Gruppen aufgeteilt kämpften wir gegenseitig um unsere Mitglieder, wobei sich immer zwei von uns einander gegenüberstellen mussten. Zwischen den zwei Gegenspielern hielten Anne und Maria eine Plane hoch, durch die verhindert wurde, dass man wusste, welcher Spieler der anderen Gruppe sich dahinter verbarg. Sobald die Plane fallen gelassen wurde, sollten die beiden Auserwählten schnellstmöglich den Namen der jeweiligen gegenüberstehenden Person rufen. Tja, nur welches Team gewinnt, wenn dabei Moritz auf Moritz trifft und beide gleichzeitig „Moritz!" rufen?

Auf unserem Weg zu einem Badesee in Hartha mussten wir uns noch ein weiteres Mal beweisen: Beim gegenseitigen „Scan" zeigte vor allem Julius große Opferbereitschaft für das Wohl der Gruppe, indem er – als einziger! – jede(n) andere(n) von Kopf bis Fuß scannte und uns nach mehr als fünf gescheiterten Versuchen mit noch immer vollem Körpereinsatz und Motivation zum Ziel führte. Bevor wir nach einer ausgiebigen Mittagspause, zu der für die meisten ein gemütliches Picknick und Sonnetanken und für ein paar Verrückte unter uns ein Sprung ins kühle Nass gehörte, den Rückweg antraten, ließen wir uns von unseren Teamern in blinde Schafe verwandeln. Mithilfe der präzisen Anleitung unserer „Schäferin" Olivia erreichte schließlich jedes Schaf den Stall – auch wenn Schaf „Nummer 5" besonders viel Zeit und Zuwendung der Schäferin in Anspruch nahm. Wieder in unserer Unterkunft angekommen stellten wir uns der letzten Herausforderung an diesem Tag: Während wir als Gruppe auf unserer Exkursion merklich zusammengewachsen waren, hatte Küchenkünstlerin Toni wahre Zauberei vollbracht und begrüßte uns mit selbstgemachten Cookies, frisch aus dem Backofen – aber nur einen für jeden! Welch innere Stärke wurde von uns verlangt, nach einem köstlichen Keks an alle anderen zu denken und nicht heimlich einen zweiten zu stibitzen; womöglich wollte Toni unseren neu erworbenen Gruppenzusammenhalt sofort auf die Probe stellen?

Die Frage, was es bedeutet, Rücksicht zu nehmen, begegnete uns auch am nächsten Tag wieder – allerdings in ganz anderem Kontext: Wie können wir unsere Erde möglichst rücksichtsvoll behandeln, um die Natur für unsere Nachwelt zu erhalten? Die eine Hälfte der Gruppe besuchte dafür vormittags

gemeinsam mit Teamerin Anne den Forstbotanischen Garten und unterhielt sich mit dem von der TU Dresden stammenden Exkursionsleiter über die verschiedenen ökologischen und ökonomischen Interessensansätze zur Rettung und Förderung unserer Waldbestände. Am Nachmittag folgte ein Exkurs zum Thema „Repair Café", wobei uns leider die Zeit einen Strich durch die Rechnung machte. Immerhin schafften wir es erfolgreich, einen Pürierstab, eine Kamera und ein altes DDR-Küchengerät auseinanderzunehmen – wer braucht schon Reparatur, wenn man die Dinge erstmal in ihre Kleinteile zersetzen kann? Eine Kamera von innen sieht man schließlich nicht täglich, oder?

Während die einen also mit großer Begeisterung ihre handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis stellten, entdeckte Jannis` Gruppe einen landwirtschaftlichen Hof, auf dem Selbstversorgung und nachhaltiges Wirtschaften zum Alltag gehören. Nach dem – wie mittlerweile schon gewohnt superleckeren Abendbrot – lud uns Anne zum entspannten Tagesausklang ein. Im eigentlichen Speiseraum breitete sich bei unserer gemeinsamen Yoga- und Meditationssession eine Atmosphäre von Gelassenheit und positiver Energie aus, die uns neue Kraft für den Start in den Donnerstag schenkte.

Mit viel Motivation und Enthusiasmus begrüßten uns Helena und die Freiwilligenkoordinatorin ihrer Einsatzstelle Sukuma arts e.V. zum Nachhaltigkeitsworkshop am Vormittag, der uns zeigte, dass wir alle vor Ideen für mehr Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit in unserem persönlichen Umfeld, in unseren Einsatzstellen und zu gemeinsamen Projekten als FÖJ-Jahrgang 2020/21 nur so sprühten. Unser Brainstorming drehte sich um den bewussteren Umgang mit Verpackungsmüll und die Bedeutsamkeit von Mülltrennung, um die Nutzung von nachhaltigen Alternativen im Alltag wie Foodsharing und SecondHandkleidung bis zum Sammeln und Teilen von nachhaltigen „Lifehacks".

Nach so viel Gruppenpower in den letzten Tagen erwartete uns am Nachmittag die wohl größte Herausforderung: Zeit mit uns selbst, allein. Anne und Jannis forderten uns auf, uns einzeln auf den Weg in die Natur zu begeben, uns von Sonne, Wind und Wald leiten zu lasse zu einem schönen, ruhigen Plätzchen, an dem wir über eine Stunde lang unseren Gedanken freien Lauf lassen konnten. Raum zum Freisein – wann hat man das in unserem schnelllebigen Alltag? Die ersten Wochen als FÖjler:innen waren so voller Aktion und Aufregung, neuen Erfahrungen und Bekanntschaften; da fühlte sich die Solozeit plötzlich ganz unwirklich an. Einige verschlug es in den Tharandter Wald, viele genossen den Sonnenschein auf den Wiesen hinter unserer Unterkunft, einige malten, zeichneten oder hielten ihre Ziele für das kommende Jahr schriftlich fest, andere genossen mit geschlossenen Augen die Ruhe mit sich selbst. Sonnenbaden, ein kleines Nickerchen, Musikhören, Selbstgespräche führen – und Emotionen erleben. Im Nachgespräch erfuhren wir von anderen der Gruppe, wie es ihnen mit sich selbst ergangen war und nicht wenige teilten dabei neben schönen Erfahrungen auch Gefühle der Sehnsucht und Traurigkeit. Sehnsucht nach der Heimat, der Familie, dem gewohnten Alltag; ein Gefühl von Traurigkeit kam auf, weil viele von uns im letzten Jahr etwas abgeschlossen und verlassen haben – vielleicht die Schule, vielleicht das Leben zuhause, vielleicht liebe Menschen … Ein Gefühl aber schien uns alle zu vereinen, so unterschiedlich wie wir als Freiwilligengruppe sein mögen: Vorfreude auf das, was kommt. Und Dankbarkeit für die Chance, die wir in diesem Jahr haben. Wir können in neue Lebenswelten hineinschnuppern, uns beruflich orientieren, unsere Zukunft planen oder einfach den Moment genießen – allein oder gemeinsam.

Die Nähe, die nach der Solozeit zwischen uns allen entstanden war, begleitete uns abends beim Abschlussabend am Lagerfeuer, wo erstmals auch das eine oder andere Bier getrunken wurde, und am nächsten Morgen beim Planen unserer kommenden Seminare. Unzählige verrückte Ideen für Gruppenworkshops und Ausflüge unter einen Hut zu bringen wird demnächst die Aufgabe der einzelnen,

für das jeweilige Seminar Verantwortlichen Gruppen sein. Eins steht schon jetzt fest: Die gemeinsame Zeit wird abwechslungsreich und abenteuerlich, schließlich nimmt man nicht jeden Tag an Survivaltrainings, Trommelworkshops, Müllsammelaktionen und Wettessen teil! Das letzte Kopf-an-Kopf-Rennen der Woche fand nicht in der gesamten Gruppe statt, sondern lieferten sich Clara, Steffi, Céline und Ole, die sich für den Posten als Seminarsprecher:innen bewarben. Nach demokratischer Abstimmung beglückwünschen wir Céline und Ole, die in ihrem Amt von Clara und Steffi vertreten werden. Für die beiden Wahlsieger heißt es schon bald: Auf zum zweitägigen Treffen mit allen anderen Seminarsprecher:innen Sachsens.

So viel passiert in so kurzer Zeit – dafür möchten wir DANKE sagen. Danke an unsere Teamer Anne und Jannis für die Vorbereitung und Planung des Seminars sowie die tägliche gute Laune und all ihre offenen Ohren für unsere Ideen, Wünsche und Sorgen, danke an Küchenfee und Sonnenschein Toni für die Verköstigung und alle Ratschläge und Insidertipps zum Thema Küche, Kochen und „Wie überlebe ich mein FÖJ?" ;-) und danke an alle Referenten, die unser spannendes Seminarprogramm unterstützt haben.

Wir alle scheinen uns einig zu sein – so kann es im 2. Seminar weitergehen! Bis dahin viel Spaß bei der Arbeit in allen Einsatzstellen und bleibt gesund! :-)

Karolin, 19 Jahre, Freiwillige im FÖJ

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