Ein wunderschönes Jahr mit Fabienne
Fabienne ist ein 17-jähriges Mädchen. Die Leute sagen, sie ist geistig und körperlich schwer behindert. Aber ich denke, sie lebt vielmehr in ihrer eigenen Welt und es ist nicht einfach ihre Freundin zu sein…Aber sie zeigt mir, wie wichtig Lächeln und Zärtlichkeit sind...
Meine Geschichte mit Fabienne beginnt mit meinem Freiwilligendienst in Deutschland. Fabienne ist Schülerin der heilpädagogische Schule in Pirna-Bonnewitz, an der ich meinen Freiwilligendienst absolviert habe. Als ich Mitte Oktober 2016 zum ersten Mal in die Klasse kam, saß sie auf dem Boden und hat geschrien. Darauf war ich nicht vorbereitet. So strengte mich das Schreien psychisch sehr an, war ich doch immer der Mensch gewesen, der eher die Stille sucht. An diesem Tag war das jedoch anders Ich wusste, dass ich die Wahl habe: Ich konnte bleiben und Fabienne für mich gewinnen oder ich konnte zurück nach Tschechien fahren. Ich habe mich für das Bleiben entschieden. Ich wollte nicht aufgeben, nur weil meine Natur anders war.
Also probierte ich, mit Fabienne Kontakt aufzunehmen und wollte einen Zugang zu ihr finden. Ich suchte den Weg zu Fabienne. Nach einer Weile zeigte sich: Dieser Weg führt über Berührung, Umarmung und Malerei, später auch über Musik.. Die Malerei wählte ich, weil Fabienne sie sehr mag. Sie ist ein sehr besonderes und gelehriges Mädchen. Als ich an die Schule kam, konnte Fabienne schon wenige Wörter und Zahlen in verschiedenen Sprachen, z.B. auf Spanisch und in Englisch. Mein Ziel war es, ihr auch Tschechisch beizubringen. Ich habe ihr immer nur die Wörter übersetzt, welche sie interessiert haben. Ihr Lieblingswort war „Notenschlüssel“. Dieses Wort hat mich dann auf die Idee gebracht, mit Fabienne Musik auszuprobieren. Ich sang mit ihr und wir übten auf dem Klavier. Anfangs saß Fabienne beim Klavierspielen immer nur leise da und hörte zu. „Let it be“ von den Beatles ist ihr Lieblingslied. Aber wenn ich mit dem spielen aufhörte, gefiel ihr das nicht. Zuerst zog sie meine Hand immer zurück zum Klavier, später sagte sie mir, was ich spielen soll. Wie wunderschön war für mich ihr Satz: „Ich möchte mit der Anežka Klavier spielen“.
Es dauerte nicht lange und ich konnte Fabienne überzeugen, dass sie das Klavier selbst ausprobiert. Wunderbar war es, sie dabei zu beobachten. Ich nutzte die Gelegenheit und habe ihr das tschechische Kinderlied „Kočka leze dírou“ beigebracht. Fabienne war sehr aufmerksam und irgendwann wiederholte sie das Stück.
Das Jahr mit Fabienne ist sehr schnell vergangen. Fabienne hat mich als Mädchen mit wunderschönem Herzen berührt. Als Mädchen, welches lieb und gelehrig ist, welches mir immer ihr Lächeln und ihre Liebe gab. Ich ging nach dem Freiwilligendienst zurück nach Tschechien. Fabienne fehlt mir sehr. Gerade jetzt ihr Lächeln und ihre Umarmung, die sie mir immer gegeben hat. Bis heute halte ich den regelmäßigen Kontakt mit ihr und ihrer Mutter. Ich glaube und hoffe, dieser noch lange andauern wird. Beide schicken mir zusammen Fotos und Nachrichten. Darüber freue ich mich jeden einzelnen Tag und auch auf die nächste Neuigkeit von den zweien. Wie sehr freute es mich, wenn Fabienne mich mit ihrer Mutter besuchen käme.
Und was hat mir der Freiwilligendienst in Deutschland gebracht? Sehr viel Kraft, Geduld, Freude, Liebe und das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben. Ich habe meine deutsche Sprache verbessert und wichtige Entscheidungen für meinen weiteren Lebensweg getroffen.
Anežka N., Freiwillige 2016/2017
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